Es gibt zwei Gruppen von Menschen: Diejenigen, die noch keinen ihrer Liebsten verloren haben – und diejenigen, die bereits mindestens einen Menschen gehen lassen mussten. Wir alle wissen, dass dieser Tag irgendwann kommt, es sei denn, wir gehen zuerst. Und doch kann man sich nicht wirklich darauf vorbereiten. Vor Kurzem bin ich selbst in die zweite Gruppe eingetreten.
Als eine enge Freundin von mir zwei Monate zuvor diesen Schritt gehen musste, wusste ich nicht, wie ich mich verhalten sollte. Sollte ich sie anrufen? Sie in Ruhe lassen? Ich hatte keine Ahnung, was sie in diesem Moment wirklich braucht. Also schickte ich ihr eine schlichte Kondolenz – und ein Foto, das mir viel bedeutet: Mohnkapseln vor schwarzem Hintergrund. Dieses Bild stand für das, was ich ihr wünschte – Stille, Tiefe, und irgendwie auch Trost.
Als mein Vater starb, wusste ich plötzlich, was ich, meine Mutter und meine Schwester brauchten: Verbindung, Hoffnung, und das Gefühl, dass Papa jetzt überall um uns ist. Jeder dritte Mensch erkrankt an Krebs. Mein Vater lebte mit dieser Diagnose seit 2018, doch er blieb stark, klagte nie. Meine Mutter konnte sich ein Leben ohne ihn nicht vorstellen – und so versuchte er, sie zu schonen, sprach kaum über seine Schmerzen. Nur einem Freund vertraute er sich wenige Tage vor seinem Tod an. Er spürte, dass das Ende nahe war. Er trug den Tod in den Knochen. Das war seine Art von Mut. Er ging, wie er gelebt hatte – mit einem Lächeln auf den Lippen, im Schlaf.
Als wir uns das letzte Mal sahen, schauten wir gemeinsam alte Familiendokumente durch: Geburts- und Heiratsurkunden, Gesellenbriefe... Sein Großvater, Urgroßvater und Ururgroßvater hießen alle gleich: František Bidla. Einige dieser Dokumente stammten aus der Zeit des Protektorats, da war der Vorname eingedeutscht: Franz Bidla. Als Tschechin, die in Deutschland lebt, rührte mich das nicht nur wegen der schwierige Vergangenheit, sondern auch wegen der heutige Verbindung zwischen unseren beiden Kulturen. „Das wäre ein schöner Name für ein interessanten Projekt!“, sagte ich damals meinem Vater . Ich ahnte nicht, dass dieser Name so schnell Bedeutung bekommen würde...
Ein paar Tage nach dem Tod meines Vaters verloren weitere Bekannte ihre Angehörigen. Ich teilte meine Erfahrungen, hörte zu, war da. Ich wusste inzwischen, wie man helfen kann – auch wenn jeder Trauer auf seine eigene Weise erlebt.
Heute bin ich da für all jene, die Hoffnung suchen, die ihre Liebsten weiter spüren wollen, auch wenn sie nicht mehr sichtbar sind. Für alle, die Trost brauchen, Worte, Bilder, Zeichen, die uns sagen: Du bist nicht allein. Wir sitzen im selben Boot.
Zum Gedenken an meinen Vater und seine Vorfahren schenke ich dem Namen Franz Bidla eine neue Bedeutung. Ich verbinde meine Fotografien mit Worten, die die Seele berühren, und gestalte Dinge, die Trost spenden können – für Sie oder Ihre Freunde, in jenen Momenten, in denen Sprache schwerfällt, aber Nähe so wichtig ist.
Ihre
Zuzana
aus der zweiten Gruppe